Aus allen Richtungen Deutschlands kamen die Teilnehmer des Jahrestreffens 2018 nach Fulda: aus dem Süden (Bayern), aus dem Westen (Nordrhein-Westfalen), aus dem Norden (Schleswig-Holstein) und aus dem Osten (Sachsen). Neugierig machte das Treffen einen Gast aus Österreich. So vielfältig wie die Herkunft der Teilnehmer waren die Interessen. Diese förderten einen wertvollen und in die Tiefe gehenden Austausch der Informationen. Einen großen Beitrag dazu trugen die Vorträge der Referenten und die Führungen durch den Verein Scalare in Fulda bei. Nach der Einfahrt auf das Gelände des Vereins erfreute uns Vivarianer bei schönstem Sonnenschein der Anblick einer gepflegten Vereinsanlage. Auf der Terrasse des Vereinsheimes unterhielten sich die Erstankömmlinge bei relaxter Stimmung, im Haus selbst warteten belegte Brötchen auf hungrige Mäuler. Schnell fand jeder einen Ansprechpartner für die ersten Fachsimpeleien. Traditionsgemäß eröffnete der AKFS-Leiter Hans-Joachim Scheffel nach der Begrüßung mit den obligatorischen Zahlen über die Mitgliederentwicklung und die Einnahmen und Ausgaben (einschließlich der Abgaben an den VDA) das Treffen und stellte das Programm vor.
Zuerst stand eine Besichtigung der Aquarienanlage und des Vereinsgeländes an. Willi Bothe begrüßte im Namen der Vorstandschaft des größten Aquarien- und Terrarienvereins in Hessen die Teilnehmer. Bei der Führung durch die Anlagen berichtete er von der Umsetzung ihres Vereinstraums, einer dauerhaften Aquarien- und Terrarienausstellung. Diese wurde im Jahr 2000 eröffnet. Im Erdgeschoss zeigten sich uns 16 Süßwasser- und ein Seewasseraquarium, ein großes Paludarium sowie drei Regenwald-Aquaterrarien mit Pfeilgiftfröschen und im Zentrum des Raumes stand ein offenes Aquaterrarium mit verschiedenen Schmuckschildkröten und Fischen aus fast allen Kontinenten. In einem neu geschaffenen 4.500-Liter-Aquarium tummelten sich Raubsalmler, große Süßwasser-Rochen und seltene L-Welse. Dass der Einbau des Großbeckens nicht immer ohne Probleme ablief, schilderte Willi Bothe sehr spannend.
Einen Stock höher sahen wir 15 Terrarien mit Krokodilen, Alligatoren, Riesen- und Giftschlangen, verschiedenen Echsen sowie Vogelspinnen und tropischen Insekten. Die Vereinsmitglieder arbeiten ehrenamtlich. Jedes Aquarium, jedes Terrarium hat einen eigenverantwortlichen Pfleger. Vereinsmitglieder sind für diese Einrichtungen zuständig. Alle Becken strahlten deren Können wider. Auf dem Vereinsgelände, das sie Tümpelgarten nennen, standen bestens eingepasst einige Volieren. Die Freilandanlagen, die mit Europäischen Sumpfschildkröten und Landschildkröten besetzt waren und eine Kaltwasseranlage mit einheimischen Fischarten (unter anderem schöne Karauschen), verwöhnten die Liebhaber der heimischen Fauna, aber auch der Flora, denn viele Lilien, Sträucher und Bäume bereicherten den Gesamteindruck.
Einen professionellen Vortrag bot Dipl.-Biologe Christoph Dümpelmann mit dem Titel „Über die Wiederansiedlung des Schneiders (Alburnoides bipunctatus) in Hessen“. Der Mittfünfziger ist freiberuflicher biologischer Fachgutachter und arbeitet unter anderem auch für das Biosphärenreservat Rhön. Hier ist er federführend beim Projekt: „Wiederansiedlung Schneiderfisch“.
In seinem Referat zeigte er sehr anschaulich mit entsprechenden Fotoaufnahmen und Diagrammen die Arbeitsschritte der Wiederansiedlung sowie deren bisherigen Erfolg auf. Seit den 60er Jahren ist der Schneider wegen Gewässerverschmutzung und -verbauung fast vollständig aus den hessischen Fließgewässern verschwunden. Der kleine Schwarmfisch hat seinen deutschen Namen von der auffälligen Seitenlinie, die an eine Schneidernaht erinnert. Sein apartes Erscheinungsbild machte ihn in alten Kaltwasserzeiten bei vielen Aquarianern beliebt. Ein erwachsenes Exemplar misst etwa 10-12 cm in der Länge. Der Karpfenfisch lebt in schnell fließenden, aber auch in stehenden Gewässerabschnitten. Er ernährt sich überwiegend von Würmern, Zooplankton (Krebstieren) und Insektenlarven. Jedes Lebewesen nimmt in einem Biotop einen wichtigen Platz bei der Vernetzung der Lebewesen, die in gegenseitiger Abhängigkeit stehen, ein. Fehlt der Schneider in seinem Biotop, hat die Vernetzung ein Loch, weil er z.B. einen wichtigen Teil in der Nahrungskette einnahm. Frisst er selbst Kleinstlebewesen, dient er als Nahrung der heimischen Bachforellen. Dieses Wechselspiel garantiert ein Gleichgewicht in der jeweiligen Unterwasserwelt. Besonders als Leitart zeigt der Schneider bei seinem Vorkommen in einem Gewässer dessen gute Qualität auf. Dümpelmann berichtete visuell unterstützt mit einer PowerPoint-Präsentation, wie im Oktober 2011 etwa 100 Schneider an zwei geeigneten Stellen der Orke, einem Fluss in Hessen, durch Elektrobefischung entnommen wurden. Diese waren die Elterntiere für den geplanten Besatz mit Jungfischen zweier Flüsse in der hessischen Rhön. Die erste Besetzung mit Jungschneidern konnte bereits ein Jahr später im Oktober 2012 erfolgen. Sie kamen in vorher geschaffene, passende Gewässerabschnitte der Ulster und des Döllbach. Innerhalb der nächsten fünf Jahre kam es zu weiteren Besatzergänzungen. Insgesamt wurden in die beiden Bäche über 5000 Nachzuchtschneider eingesetzt. Ende August 2014 führte Dümpelmann an beiden Besatzgewässern zur Erfolgskontrolle der Maßnahmen die erste Elektrobefischung durch. In der Ulster gelangen keine Nachweise der eingesetzten Schneider, während im Döllbach fünf Schneider des Besatzes 2013 und ein Tier des Besatzes aus 2012 nachgewiesen werden konnten. Die Projektleitung hofft, dass sich die Besatztiere aus den Jahren 2012 bis 2014 fortpflanzen, um den Bestand zu festigen. Durch die detaillierten Ausführungen wurde allen Zuhörern bewusst, was für große materielle, personelle und finanzielle Maßnahmen für die Erhaltung unserer heimischen Unterwasserfauna am Beispiel des Kleinfisches umgesetzt werden müssen, um einmal verursachte Umweltschäden wieder auszugleichen. Dabei sind diese Investitionen nicht immer mit Erfolg gekrönt.
Nach einer Pause setzte Axel Eykwill aus Hembsbach das Programm fort. Sein Vortragsthema: „Oryzias latipes, der Japanische Reisfisch: von der Wildform zur Zuchtform“. Der Referent beschäftigte sich vor seinem Interesse für Reisefische mit den Zuchtformen des Kampffisches und des Guppys. Dabei wurde er von einem Vereinsmitglied in Berlin auf Reisfische aufmerksam gemacht. Er begann mit Fischeiern von weißen und goldenen Medakas aus Spanien, die er auf einer internationalen Auktions-Plattform (AquaBid) ersteigerte und zugeschickt bekam. Er vergleicht Reisfische wegen ihr Farbähnlichkeit und Farbvielfalt mit „Mini-Kois“. Ihr Vorteil gegenüber echten Kois: platzmäßig kann sie jeder halten.
In seinem Vortrag ging Eykwill auf die lange Geschichte dieser Fischart ein. Seit der Edo- oder Tokugawa-Zeit (16. Jhd.) werden Medaka in Japan gehalten. Die vielen bunten Zuchtformen selektierten Züchter in den folgenden Jahrhunderten. Deutschland exportierte die ersten Medaka Ende des 18. Jahrhunderts. Sie wurden 1848 der Gattung Poecilia zugeordnet, dann der Gattung Haplochelus, dann der Gattung Aplocheilus. Erst 1906 stellten Jordan und Snyder die neue Gattung Oryzias auf. Medakas sind sowohl für die Zimmer- wie auch die Freilandhaltung geeignet. Sie sind sehr schwimmfreudig und aus Sicht des Referenten nicht für Nanobecken geeignet. Er empfahl Becken oder Kübel ab 50 Liter aufwärts. Nur für einen Zuchtansatz mit einem Paar oder einem Trio (2/1) reichen kleinere Becken aus. Eykwill hat vom Frühjahr bis zum Herbst alle seine Reisfische im Freiland. Er ist begeistert von der kräftigeren Färbung, die sich dabei ausbildet. Medaka vertragen Temperaturen von 4 bis 35 °C, die Extreme sind natürlich nur kurzzeitig verträglich. Bestimmte Zuchtlinien überwintern bei ihm auch im Freiland. Entscheidend dafür ist aber die Beckengröße und Tiefe. Beeindruckend waren die Bilder von den Zuchtanlagen der Profis, aber auch des Hobbyzüchters. Die Weibchen tragen ihre Eier nach der Befruchtung noch am Hinterleib haftend durch das Aquarium. Später am Tag heften sie diese an Substraten. Manche Laichmops aus Plastik oder Wolle waren übersät mit kleinen durchsichtigen Eiern. Für die Jungfische gibt es nach dem Freischwimmen extra mit einem Mörser in einer Schale zubereitetes Staubfutter. Zu den Zuchtformen: Das Thema leitete er mit einer Übersicht japanischer Verbände und deren Zielsetzungen ein. Der größte Zusammenschluss ist der JMA – die Japanese Medaka Association. Mitglieder der JMA können ihre erbfesten Linien registrieren und namentlich schützen lassen. Sie bekommen gegen Entgelt ein Zertifikat. Eykwill nannte 1300 registrierte Zuchtlinien. In Europa und Deutschland sind die Medaka immer noch wenig bekannt. Die Medaka-Hochburg liegt in Italien. Eykwill stellte den italienischen Züchter Roberto Pelligrini vor, den Gründer vom Medaka Forum „Medaka Italia“. In Deutschland machte Friedrich Bitter in den beiden AMAZONAS Journal Ausgaben von 2016 und dem Ausgabe Mai/Juni 2018 mit gelungenen Bildern auf die Fische aufmerksam. An dieser Stelle zeigte der Referent verschiedene Zuchtlinien auf: von der unscheinbaren Naturform bis hin zu farbenprächtigen Exemplaren in orange, silber, blau oder gescheckt. Diese Kurzzusammenfassungen der Vorträge geben nur einen Teil der beiden umfassenden und sehr informativen Vorträge wieder.
Bei angenehmen abendlichen Temperaturen führte das Vereinsmitglied des Aquarienvereins Scalare, Rainer Garrison, durch den Tümpelgarten. In unmittelbarer Nähe floss die Fulda, ein schnell fließendes Bachförmiges Umleitungsgerinne und mehrere Quadratmeter große Tümpel sowie ein großer Teich direkt am Vereinsheim spiegelten die Abendsonne wider. Garrison erzählte von einer Wasserlinsenplage in einem Teich, welcher vollständig bedeckt war mit Wasserlinsen. Die Vereinsmitglieder lösten schließlich das Problem, indem sie die Teichoberfläche ablaufen ließen. Die Fulda nahm die Wasserlinsen auf.
Dr. Wolfgang Lechthaler, unser Gast aus Österreich (neuerdings auch AKFS-Mitglied), beschrieb die Gewässer wie folgt: Das Wasser der stehenden Gewässer war reich an Makrophyten, es dominierte die Gattung Ceratophyllum. Beim Keschern wurden an Wasserinsekten Individuen der Gattung Notonecta (Rückenschwimmer) sowie Libellenlarven der Familie Coenagrionidae/Lestidae gefangen. Auf der Ober- und Unterseite der Steine fanden sich Larven der Gattung Caenis (Ephemeroptera). Beim Zooplankton waren Copepoden und Cladoceren häufig. In der Fulda waren in strömungsarmen Zonen nahe der Ufer zahlreiche Röhren im Sediment auszumachen. Es dürfte sich dabei um die der Larven der Gattung Micropsectra (Chironomidae) handeln. Die Steinunterseiten in der Umleitungsrinne (die als Fischaufstiegshilfe dient) waren teils großflächig mit Süßwasserschwämmen bewachsen. Weiter waren Egel aus der Familie Erpobdellidae, Planarien und Wasserasseln (Asellus aquaticus) häufig. Die Präsenz dieser Tiergruppen lässt auf einen höheren Eintrag nährstoffreichen oder organisch kontaminierten Wassers aus dem oberhalb gelegenen Rückstaubereich schließen. Vereinzelt fanden sich Larven der Insektenordnungen Ephemeroptera und Trichoptera (z. B. der Gattung Halesus). Von der Brücke über die Fulda aus konnten entlang der Ufer Männchen von Calopteryx (vermutlich C. splendens) beim Flug beobachtet werden.
Im großen Teich am Vereinsheim lebten zahlreiche Moderlieschen und in den Tümpeln Rote Wasserflöhe (Moina).
Einen besseren Abschluss als in einem nahe gelegenem Gasthaus mit Biergarten hätten die Organisatoren nicht auswählen können. Bei Fassbier und leckerem Essen wurde über Reisfische, die Wiederansiedlung von Fischen und über die selbst gepflegten Fische munter geredet.
Am Sonntag traf man sich wieder in der Vereinsanlage. Es wurden Fische getauscht (z.B. Schwertträger, Zwergschwarzbarsche) und bei einem Spaziergang in der schönen Fuldaaue über den Erfolg von Wiederansiedlungen heimischer Fische diskutiert. Andere stiegen noch tiefer in die Ichthyologie ein. Sie diskutierten über die Richtigkeit von Arten- und Gattungszugehörigkeiten mittelamerikanischer Fische. Gegen Mittag hieß es Abschied nehmen mit einem Dank an den Vorsitzenden des Vereins Scalare für die tolle Veranstaltung.
(Text: Rudolf Suttner)